Im biologischen Landbau war Stickstoff schon immer ein ertragsbegrenzender Faktor. Im konventionellen Landbau wird der mineralische Stickstoffdünger immer teurer und seine Herstellung ist sehr erdölintensiv. Um dies zu veranschaulichen: Für die Synthese von 1 Tonne Reinstickstoff wird (inkl. Transport und Verpackung) ca. 1 Tonne Heizöl verbraucht. Weltweit werden pro Jahr 90 Millionen Tonnen Erdöl oder Erdgas für die Stickstoffdüngerproduktion eingesetzt, was zu 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emission führt. Es werden 1,6% der Weltenergie für die Stickstoffdüngerproduktion verbraucht.
Es gibt bestimmte Mikroorganismen, Cyanobakterien, die den Stickstoff aus der Luft binden können. Diese Bakterien, auch Blaualgen genannt, bilden allerdings in der Regel Giftstoffe und sind sehr unbeliebt, weil sie die Bildung von Algenblüten in Gewässern befördern. In letzter Zeit wurden jedoch vermehrt auch ungiftige Stämme entdeckt. Das Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften stellte uns auf unsere Anregung hin toxinfreie Blaualgenstämme zur Verfügung.
Wir wollten herausfinden, welcher dieser Stämme sich am besten vermehren lassen und gleichzeitig Luftstickstoff am effektivsten fixieren würde können. Weiteres sollte der Stamm unempfindlich, leicht zu halten und am besten für den Einsatz in der Landwirtschaft geeignet sein, also das Potential haben, ein wertvolles organisches Düngemittel bei geringem Energieaufwand zu werden.
Die Züchtung wurde zunächst unter Laborbedingungen in Zellkulturflaschen an der HLFS Ursprung durchgeführt. Wir hatten eine ehemalige Schulwohnung zur Verfügung, in der wir zwei Räume selbst in ein Versuchslabor umbauen und passende Umweltbedingungen für die Blaualgen schaffen konnten. Wachstumsraten, Trockenmassegehalt, Zellzahl und absolute Stickstoffanreicherung wurden neben optischer Dichte, Lichtverhältnissen und Temperatur über Monate hinweg regelmäßig gemessen. Diese Parameter verbesserten wir aufgrund der erhobenen Daten ständig. Wichtig war insbesondere auch der absolute Stickstoffgehalt der Blaualgen. Daher froren wir 2 x wöchentlich eine Probe aller Stämme ein, die später zur Stickstoffanalyse an professionelle Analytiklabors (Fachhochschule Wels u. AGES) weitergegeben wurden.
Um die Blaualgen auch tatsächlich in der Praxis für die Stickstoffdüngerproduktion verwenden zu können, benötigten wir so genannte kontinuierliche „Algen-Röhren-Reaktoren“, in denen die Bakterien gezüchtet und geerntet werden konnten. So eine Anlage zu entwerfen, zu bauen, zu optimieren und in der Anwendung zu testen, war die Aufgabe unserer Projektpartner von der HTL Braunau. Ein leistungsfähiger Laborprototyp läuft bereits im Testbetrieb und wird ständig optimiert. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Der technologische Schritt von der kleinen Zellkulturflasche zur verfahrenstechnisch durchdachten kontinuierlichen Test- und Großanlage- unter Einhaltung mikrobiologischer Vorgaben - hat uns dabei bis jetzt schon sehr gefordert.
Die erzielten Trockenmasse- (400g - 1000g/m3) bzw. Reinstickstoffgehalte (100g - 300g/m3) im
Algensubstrat
waren auf den ersten Blick zu gering, um eine wirtschaftliche Einsetzbarkeit der Blaualgen gewährleisten zu können.
Jedoch konnten wir zeigen, dass sich durch einfache Sedimentationsbecken dieser Wert verbessern lässt.
Leider sind Cyanobakterien quasi die "Schläfer unter den Bakterien". Sie teilen sich eher langsam. Wir schafften
unter Laborbedingen eine Verdopplungsrate der Trockenmasse von rund 5 Tagen. Möglicherweise kann man durch Optimierung
noch auf eine Verdopplungsrate von 2 Tagen kommen.
Bei Gemüsegärtnern mit Glashauskulturen werden bei der sogenannten Substratkultur geringere Nährstoffgehalte im Gießwasser benötigt. Bereits vorhandene Ausbringungstechnologien und Speicherteiche von Regenwasser könnten hier direkt mit dem Algenröhrenreaktor verbunden werden. Mit geringem Investitionsaufwand könnte man das Gießwasser mit dem Algensubstrat mischen und somit aufwerten. Dadurch kann zwar eine herkömmliche Düngung nicht vollständig ersetzt, allerdings womöglich mit wenig Arbeitsaufwand ein Teil des erdölintensiven Mineraldüngers eingespart werden.
Setzt man einen von uns getesteten einheimischen Cyanobakterienstamm (Nostoc sp. 341, D) ein, der von Natur aus im österreichischen Boden zu finden ist, könnte dieser bei den Gewächshauskulturen von Biogärtnern möglicherweise nicht nur als Dünger wirken, sondern aufgrund der zugeführten Algentrockenmasse und des in Form von Glutamin gebundenen Stickstoffs einen Beitrag zur gesunden Humusbildung leisten. Es würde sich um einen effektiven Mikroorganismus handeln, der noch zusätzlich CO2-Fixierung im Humus fördern würde.>
Letztendlich ist es vom Labor zur Anwendung allerdings noch ein weiter Weg. Für eine Reihe von Anwendungsproblemen haben wir bereits Lösungsideen und Optimierungsvorschläge. Wir präsentierten unser Projekt der Landwirtschaftskammer Wien und stießen dort gleich auf große Begeisterung und Bereitschaft, die Anwendungsmöglichkeiten 'unserer' Cyanobakterien im modernen Gemüseanbau auszuloten.
Unsere Idee fiel also auf fruchtbaren Boden: unsere Idee vom "Dünger aus der Luft" - zum Schutze unseres Klimas.
Letztendlich ist es vom Labor zur Anwendung allerdings noch ein weiter Weg.