Unser Plan sah vor, mindestens 300 Menschen eine Bitterstoff-Verdünnungsreihe sowie die Lebensmittel Stevia und Aronia kosten bzw. bewerten zu lassen. Die Erfahrungen der ProbandInnen sollten per Fragebogen festgehalten werden. Besonders wichtig war es natürlich, Speichel- bzw. DNA-Proben von den ProbandInnen nehmen.
Auf den ersten Blick sah das gar nicht so schwierig aus, aber es steckte einiges dahinter. Wir brauchten die zu testenden Produkte bzw. Lösungen und der Fragebogen musste eigens angefertigt werden. Außerdem brauchten wir einen geigneten Platz zur Probennahme. Besonders wichtig war uns schließlich die Entwicklung eines Anonymisierungskonzepts für die TeilnehmerInnen unserer Studie.
Auf der Suche nach einem geeigneten Ort stießen wir auf das Museum "Haus der Natur" in Salzburg. Die wissenschaftlich interessierten Menschen dort würden wir ausführlich über unser Projekt informieren können, und sie so eventuell von einer DNA-Spende überzeugen können. Ja, das "Haus der Natur" schien uns ideal für unser Vorhaben!
Uns war von Anfang an bewusst, dass die menschliche DNA etwas ist, mit dem man gewissenhaft umgehen muss. Ganz besonders gilt das natürlich, wenn sie von fremden Menschen kommt. Also grübelten wir, wie ein geeignetes Anonymisierungskonzept für unseren Fall aussehen könnte. Wir kamen schließlich auf die Variante eines vierstelligen Nummerncodes. Die Code-Reihen generierten wir mit der Zufallszahlenfunktion von Excel.
Wir wussten, wir würden uns auf unser Vorhaben gut vorbereiten müssen. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, beschlossen wir, einen Testlauf in der Schule durchzuführen. Beim "großen Ereignis" wollten wir in Höchstform sein.
Unser Labor-Team hatte inzwischen eine Reihe von PROP-Wasser-Mischungen erstellt, in der der Bitterstoff aufsteigend immer stärker dosiert war (siehe Tab. 1). Wir wollten eine genaue Differenzierung zwischen Super- und Nicht-SchmeckerInnen hinsichtlich PROP schaffen. Das Tolle war, dass am Ende wirklich jeder ein anderes Geschmacksempfinden zeigte. Manche aus dem Team verzogen schon bei den niedrigen Dosierungen das Gesicht, andere schluckten die Höchstdosierung als handelte es sich um normales Wasser. Sowohl bei unseren Testdurchgängen in der Schule als auch im Haus der Natur führte dies unter den ProbandInnen nicht selten zu einer gewissen Verwunderung. Die lag natürlich sehr in unserem Interesse.
In unserem Schultestlauf wollten wir erproben, wie unsere Produkte beim anderen Publikum ankommen würden. Wir kreierten Produkte, die mit Stevia gesüßt wurden, z.B. Pudding, Kuchen und Kekse (Mein persönlicher Favorit: Naturjoghurt mit Himbeeren und Stevia. Doch das nur am Rande). Neben all dem Essen benötigten wir natürlich auch noch ein passendes Getränk. Zwar hatten wir bereits verschiedene Tees mit Stevia gesüßt, nun entwickelten wir auch noch einen tief-roten Aroniasaft.
Daneben erarbeiteten wir einen (anonymen) Fragebogen, in dem wir neben den Daten zum Geschmacksempfinden auch Alter, Geschlecht, Raucher / Nichtraucher und Vorlieben bei Gemüsesorten erfassten. Hier kam unser vierstelliger Anonymisierungscode zum Einsatz. Jede/r ProbandIn bekam einen Code, der sowohl auf die DNA-Probe als auch auf den Fragebogen geklebt wurde. Die selbe Nummer bekam außerdem der/die Getestete auf eine Karte mit der Adresse unserer Schulhomepage geklebt, um sich sein persönliches Ergebnis nach der Auswertung anschauen zu können. Sehr erfreulich war, dass wir viel Feedback bekamen. Schon in der Testphase erkannten wir die Unterschiede zwischen Nicht-SchmeckerInnen und SuperschmeckerInnen beim Probieren von Stevia.
Durch den Testlauf in der Schule stellten wir fest, dass unsere Fragebögen nicht gerade perfekt waren. Das größte Problem war die Definition des Begriffs "bitter", den einige mit sauer verwechselten. Wie erklärt man jemandem, was "bitter" bedeutet? Wir beschlossen, den Probanden weitere Begriffe anzubieten, wie z.B. "medizinisch" oder den allzubekannten "Geschmack frisch nach dem Zahnarzt". Teilweise fanden unsere Testpersonen auch eigene Wörter, die den Geschmack für sie am besten beschrieben, z.B. "schmeckt wie Parkemed". Durch den Testlauf wurden wir auf viele Fehler im Fragebogen aufmerksam, die wohl für ungenaue Ergebnisse gesorgt hätten.
Nach dem Probelauf fühlten wir uns gerüstet für das Haus der Natur. Am Vortag der Eröffnung der Ausstellung "Lebens-Gefahr? Die (un)erschöpfliche Vielfalt der Natur", in der wir eine Woche lang unser Projekt vorstellen durften, tüftelten wir trotzdem noch stundenlang am optimalen Mischungsverhältnis von Aroniakonzentrat und Wasser herum. Wir wollten einen wirklich genussvollen Aroniasaft präsentieren können. Wir experimentierten mit dem Mischungsanteil des Aroniakonzentrats in Mineralwasser und versuchten außerdem das doch recht bittere Getränk zu süßen. Wir probierten alle möglichen Kombinationen aus Stevia, Zucker und Melasse.
Der große Tag war der 30. November 2010, ein Dienstag. Am Abend hörten wir alle gespannt und auch ein wenig nervös der Eröffnungsrede zu, nachdem wir kleine Komplikationen überwunden hatten. Wir hatten in der Schule alles fix und fertig zusammengepackt und ins Auto geladen. Vollbepackt vor dem Haus der Natur angekommen hatten wir allerdings feststellen müssen, dass wir unser Joghurt in der Schule vergessen hatten. Doch von solchen Kleinigkeiten ließen wir uns natürlich nicht aufhalten. Während ein Teil unseres Teams den Stand aufbaute, machten andere in aller Eile den nächsten Supermarkt ausfindig, um das fehlende Joghurt ersetzen zu können. Gerade noch rechtzeitig konnten wir es dann süßen und portionieren und die Eröffnung konnte beginnen.
Das gesamte Team hatte sich in Schale geworfen, einige filmten Interviews, andere sprachen mit den Leuten über unser Projekt, der Rest unterstützte die Besucher beim Ausfüllen der Fragebögen. Die PROP-Testreihe brachte uns einige sehr gute Fotos ein, weil viele Leute durch die entstehende "Geschmacksexplosion" witzige Grimassen schnitten. Daneben sammelten wir DNA-Proben und beantworteten alle Fragen mit unserem schönsten Lächeln. Schon am Eröffnungstag war der Andrang sehr groß und wir freuten uns über jede/n BesucherIn, der bei unserem Test mitmachte. So manche/r war anfangs sehr skeptisch, einigen gefiel es nicht, ihre DNA- Probe abzugeben. Nicht wenige konnten jedoch im Laufe eines Gesprächs überzeugt werden, wenn wir erklärten, dass unser System vollkommen anonym sei und wir uns eben wirklich über die Unterstützung freuen würden. Einigen war die Begeisterung förmlich ins Gesicht geschrieben, andere gingen eher uninteressiert an unserem Stand vorbei. Zum Glück waren Erstere in der Überzahl, was uns besonders motivierte.
Als wir am Eröffnungsabend unseren Stand abbauten, die Produkte wegräumten und anschließend nach Hause fuhren, waren wir alle sehr
zuversichtlich für die kommenden Tage im Haus der Natur.
An diesem Abend hatten wir 36 DNA-Proben und ebenso viele ausgefüllte Fragebögen gesammelt. Von Mittwoch bis Sonntag übernahmen nun jeden Tag, vormittags wie
nachmittags, einige aus unserem Team den Standdienst im Haus der Natur. An manchen Tagen kamen wir gar nicht mehr aus dem reden und erklären heraus, an anderen saßen
wir stundenlang hinter unseren Präsentationen und überlegten, wann wohl der/die nächste BesucherIn vorbeischauen werde. Auch Ungarn, Finnen, Engländer,
Tschechen und Italiener kamen, um sich unser Projekt näher anzusehen und erklären zu lassen. Dies war natürlich eine große Chance für uns, Proben aus
anderen Ländern zu bekommen (und natürlich war es auch eine Chance, unsere Englischkenntnisse zu verbessern). Ein besonderes Erlebnis hatten wir mit einer indischen
Besucherin. Weder verfügte sie über Deutsch- oder Englischkenntnisse, noch waren wir ihrer Sprache mächtig. Doch mit Händen und Füßen sowie
beiderseits viel Humor schafften wir es, letztendlich auch dieser Besucherin unser Thema zu erklären. Wir wurden nicht müde, auch die letzte Frage zu beantworten
und wir wurden für dieses Durchhaltevermögen reichlich belohnt.
Am Sonntagabend stellten wir dann fest, dass wir insgesamt 419 DNA-Speichelproben gesammelt hatten, die dann im Kühlhaus der Schulküche eingefroren wurden. Weil wir dazu noch die fertig ausgefüllten Fragebögen vorweisen konnten, freuten wir uns sehr. All die kleinen Komplikationen hatten wir überstanden und unser geplantes Ergebnis von 300 Proben weit übertroffen.
"pfui deifi", "woits mi vagiften", "i schmeck nix", "da bunki is guad", "saugeil des joghurt", "zum spei'm grausli", "wähh is des reidig", ...