Nach dem ersten großen Teil der Arbeit, den Messtagen, kam nun der zweite anstrengende Part: Die umfangreiche Fragebogenauswertung.
Weil wir wussten, dass wir das alleine unmöglich schaffen würden, suchten wir uns helfende Hände. Überraschenderweise hatten wir einen großen Andrang von den SchülerInnen aus den ersten Jahrgängen. Es fanden sich so viele Freiwillige, dass wir am Ende sogar zu wenig „Arbeitsplätze“ hatten. Es freute uns, wie viele SchülerInnen sich mit den Projekten an unserer Schule beschäftigten und auch aktiv daran mitarbeiten wollten. Mit voller Motivation machten wir uns an die Arbeit.
Nach einer kurzen Einschulung wurden die Werte des zwanzig Seiten langen Fragebogens genauestens in eine zuvor entworfene Excel-Tabelle
eingetippt. Jedem Strichcode wurde eine Zeile zugeordnet und die Ergebnisse darin eingetragen. Bei 325 Bögen mit jeweils 170 verschiedenen Daten, insgesamt also 55250 - ein Megaaufwand.
Von jedem/r TeilnehmerIn des Gesundheitschecks war noch zusätzlich ein Laufzettel mit Gewicht, Größe, Bauchumfang, Hüftumfang, Blutdruck sowie die Laborergebnisse der Blutwerte zu integrieren. Trotzdem schafften wir es, die riesige Datenmenge innerhalb kürzester Zeit zu digitalisieren. Um unsere kleinen Helferlein bei guter Laune zu halten (gewissermaßen als kleinen Lohn) organisierten wir Getränke und kleine Stärkungen für den „süßen Hunger“.
Abschließend machten zwei SchülerInnen die Qualitätskontrolle, um
vergessene Fragebögen, Tippfehler etc. aufzuspüren. Da die Excel-Tabelle leider etwas unpraktisch aufgebaut war und auch Mängel aufwies, wurde sie dann später zur Fehlerüberprüfung von unserem Computerexperten Flo in eine Access-Datenbank umgewandelt. So lernt man aus den Fehlern: das nächste Mal würden wir direkt mit MS Access arbeiten.
Mit dieser Datenbank gingen wir zu Dr. Elmar Aigner vom Krankenhaus Oberndorf, um die Daten mit Hilfe eines Statistikprogramms auszuwerten. Wir danken ihm an dieser Stelle herzlichst für die Einführung in die Statistiksoftware „SigmaStat“, für die Unterstützung bei der Analyse der Unmengen an Daten, für die vielen Tipps und Erklärungen zur Interpretation der Ergebnisse und für die viele Zeit, die er sonst noch in uns investierte.
Zusammenhang zwischen Lebensstil, kardiometabolischen Risikofaktoren und den Spurenelementen Eisen, Kupfer und Zink bei gesunden Jugendlichen.
Allgemeine Merkmale der SchülerInnen der HLFS Ursprung
Insgesamt wurden im Rahmen des Projektes von 325 SchülerInnen (234 Burschen und 91 Mädchen) unserer Schule Daten (Ultraschall, Blutdruck, Blutabnahme, Größe, Gewicht, Bauch und Hüftumfang) erhoben und konnten in der weiteren Folge ausgewertet werden. Dies entspricht einer Teilnahmerate von über 95%.
Die wichtigsten Merkmale der SchülerInnen sind in der unten stehenden Tabelle zusammengefasst.
Welche pathologischen Werte wurden gefunden?
Die Ultraschalluntersuchung zeigte bei 17 (5.2%) eine Fettleber in unterschiedlichem, meist geringem Ausmaß. Der Body Mass Index (BMI; Körpergewicht / Größe [kg/m2]) als Indikator für Übergewicht war bei 30 (12.8%) der Burschen und 13 (14.8%) der Mädchen größer als 25. Somit lag die Häufigkeit von Übergewicht doch merklich unter dem Durchschnitt in der EU (27.6% der Burschen, 21% der Mädchen) und auch in Österreich (28.5% Burschen, 16.4% Mädchen), wie dieser kürzlich in der sogenannten HELENA-Initiative (Healthy Lifestyle in Europe by Nutrition in Adolescence) der EU veröffentlicht wurde.(1)
Im Rahmen unserer Laboruntersuchungen wurden bei 10 (3.1%) SchülerInnen erhöhte Leberwerte festgestellt, welche in Folge durch den Hausarzt der SchülerInnen abgeklärt wurden.
Die Nierenwerte (Serumkreatinin, Harnstoff) waren bei einem Schüler eindeutig erhöht im Sinne einer wahrscheinlich zu Grunde liegenden Erkrankung, bei 10 weiteren an der Grenze, was bedeutet, dass man sie im Abstand von 3-6 Monaten wieder kontrollieren wird.
Die Blutfette zeigten bei 19 SchülerInnen erhöhte Gesamtcholesterinwerte, bei 17 erhöhte LDL-Cholesterinwerte, bei 18 fanden sich niedrige HDL-Cholesterinwerte (gutes, schützendes Cholesterin) und bei 11 waren die Triglyceride erhöht.
Als Parameter für die Funktion des Zuckerstoffwechsels wurde der Nüchternblutzucker und auch das Hormon Insulin gemessen.
Die Nüchternblutzuckerwerte waren bei nur einem der untersuchten Schüler erhöht. Die Insulinwerte waren bei 8 SchülerInnen höher als dies zu erwarten war.
Die Untersuchung des Blutbildes zeigte bei einem Schüler eine sehr schwere und seltene Erkrankung der Blutbildung im Knochenmark, eine schwere aplastische Anämie, wobei die Weiterbetreuung durch eine Spezialklinik umgehend erforderlich war.
Weiters wurde bei 3 SchülerInnen eine geringgradige Blutarmut festgestellt, die auf Eisenmangel zurückzuführen war.
Über zu Grunde liegende Ursachen kann nur spekuliert werden, dieser Unterschied zwischen Burschen und Mädchen ist auch nicht bekannt. Bei insgesamt 22 (6.8%) SchülerInnen wurden sehr niedrige Kupferwerte festgestellt, bei 13 höhere als die derzeitig festgelegten Normalwerte, wobei es sich nur um Mädchen handelte. Schließlich wurden bei 8 unserer untersuchten MitschülerInnen hohe, bei 2 sehr niedrige Zinkspiegel im Serum gemessen.
Wie sieht der Zusammenhang der untersuchten Faktoren mit den Merkmalen des Metabolischen Syndroms aus?
Es ist inzwischen gut bekannt, dass sich bei übergewichtigen Menschen in weiterer Folge auch Probleme mit Diabetes und Bluthochdruck, sowie zu hohe Triglyceridwerte und zu niedriges gutes HDL-Cholesterin im Blut entwickeln. Diesen gemeinsam auftretenden Symptomenkomplex nennt man Metabolisches Syndrom. Wenn diese Werte nicht in Ordnung sind, besteht ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt und Schlaganfall zu erleiden.( 2) Die Übergewichtigkeit wird über den Body Mass Index (BMI) und das Verhältnis Bauch zu Hüftumfang (Waist-Hip-Ratio) bestimmt.
Bei der Entstehung des Metabolischen Syndroms spielen sowohl ein vererbter Hintergrund (Genetik) als auch Lebensgewohnheiten wie Fehl- und Überernährung und (mangelnde) körperliche Betätigung eine Rolle.(3) Es wird im Allgemeinen als eine Erscheinung/Erkrankung des zunehmenden Alters gesehen, wobei sich im letzten Jahrzehnt die Berichte über das Metabolische Syndrom als Folge von Überernährung und fehlender Bewegung auch im Zusammenhang mit Jugendlichen oder Kindern gehäuft haben.(4, 5)
Ein Ziel unseres Projektes war die Beleuchtung dieser Zusammenhänge an unserer Schule, wobei es sich im Allgemeinen um gesunde, relativ schlanke Teenager handelte, die keine der gängigen Definitionen des Metabolischen Syndroms erfüllten.
Wir fanden heraus, dass auch bei gesunden, relativ schlanken Jugendlichen (durchschnittlicher BMI 22.0 kg/m2) ein hochsignifikanter statistischer Zusammenhang besteht zwischen BMI, Waist-Hip-Ratio, niedrigem HDL-Cholesterin, hohen Triglyceriden, Blutdruck und auch schon dem gemessenen Nüchterninsulin.
Bei Jugendlichen, deren Waist-Hip-Ratio und BMI geringgradig erhöht waren, wurden tendenziell ein niedriges HDL, höhere Triglyceride und höhere Blutdruckwerte bzw. auch die höheren Werte beim Nüchterninsulin gemessen.Somit zeigen unsere Ergebnisse, dass ein ernst zu nehmender Zusammenhang zwischen sämtlichen Risikofaktoren für spätere Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall bereits in einem sehr frühen Stadium besteht.
Dieses frühe Stadium bezieht sich sowohl auf das Alter von 15–19 Jahren als auch auf die gemessenen Werte, welche nach den gültigen Definitionen durch die Bank als normal zu bezeichnen wären und somit nicht die Aufmerksamkeit eines Arztes/ einer Ärztin oder eines/einer sonstigen Gesundheitsverantwortlichen erregen würden.
Krankheiten und Folgeerscheinungen, die auf die oben angeführten Zusammenhänge zurückzuführen sind, nehmen den größten Teil unseres Gesundheitsbudgets ein und sind die führende Todesursache in der westlichen Welt. Derzeit greifen medizinische Maßnahmen meist erst ein, wenn das Ende der Straße erreicht ist, d.h. wenn ein Mensch tatsächlich an Diabetes erkrankt ist oder einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hat.
Dann ist es allerdings meist schon zu spät für eine wirksame Veränderung der Lebensgewohnheiten und des Gesundheitszustandes. Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein
Tabelle 1: Allgemeine Charakteristika der teilnehmenden SchülerInnen
Dargestellt sind die Merkmale als Mittelwert ± Standardabweichung bei den teilnehmenden Mädchen (linke Spalte) und Burschen (rechte Spalte). Abkürzungen: RR – Blutdruck; GOT und GPT – Leberwerte, sog. Transaminasen; HOMA-IR – homeostasis model assessment – insulin resistance – ein Mass für die Insulinresistenz, welche bei der Entstehung von Diabetes und Arteriosklerose die zentrale Rolle spielt; CRP – C-reaktives Protein, Entzündungseiweiß; MCV – mean corpuscular volume, die Größe der roten Blutkörperchen als indirekter Wert für ausreichend vorhandenes Eisen im Knochenmark.
Die Analyse der Spurenelemente zeigte einen relativen Eisenmangel bei 4 der Mädchen und bei 3 der Burschen, wobei diese Werte bei Burschen kontrolliert werden sollten, während man bei Mädchen davon ausgeht, dass relativ niedrige Ferritinwerte (Speichereisen) durch Blutverluste zustande kommen. Zu hohe Speichereisenwerte wurden bei keinem Schüler und keiner Schülerin festgestellt.
Die Kupferwerte (Serumkupfer und Caeruloplasmin) wiesen eine sehr breite Streuung auf, wobei bekanntermaßen die Normwerte nicht klar definiert sind, insbesondere bei Jugendlichen. Interessanterweise wiesen Mädchen deutlich höhere Kupferspiegel im Blut auf (siehe auch Tabelle 1).
verstärktes Augenmerk auf das Gesundheitsbewusstsein unter Jugendlichen gelegt werden und
die entsprechende Aufklärung an Schulen im Sinne einer frühzeitigen Änderung von Gewohnheiten verstärkt propagiert werden sollte. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass bei einem beträchtlichen Anteil bereits unerkannt eine Zeitbombe tickt, die sich durch richtiges und konsequentes Handeln möglicherweise noch rechtzeitig entschärfen lässt.
Eng im Zusammenhang mit diesen Wohlstandserkrankungen steht auch die Leber, wobei sich in der Leber zunehmend mehr Fett einlagert.
Diese Erscheinung wird als nichtalkoholische Fettlebererkrankung bezeichnet, da sich auch bei fehlendem
Alkoholkonsum ein der alkoholischen Fettleber ähnliches Bild entwickeln kann. (6) Es zeigt sich in unserer Auswertung, dass die Leberwerte (Transaminasen, GPT) bereits im normalen Bereich mit der Menge an Körperfett (BMI, WHR) und sogar mit dem gemessenen Blutdruck zusammenhängen. Dies deutet auch auf eine sehr frühe, aber wichtige Beteiligung der Leber in der Entstehung des Metabolischen Syndroms hin und stellt gleichzeitig in Frage, inwieweit die verwendeten Normalwerte tatsächlich „normal“ sind.
Tabelle 2: Korreltation Metabolisches Syndrom mit leichter Übergewichtigkeit